KTM verkauft MV Agusta: Ende der Zusammenarbeit nach nur 2 Jahren

Analyse: So sieht die Zukunft der Nobelmarke aus

KTM trennt sich von MV Agusta: Nach weniger als einem Jahr als Mehrheitseigner verkauft KTM seine 50,1 % an die Art of Mobility S.A. Hintergrund ist das laufende Insolvenzverfahren.

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KTM und MV Agusta: Ein kurzes Intermezzo mit hohen Kosten

Der Schritt des Verkaufs markiert das Ende eines ambitionierten, aber letztlich zu kostspieligen Engagements der Mattighofener in der Luxusmotorradbranche. Im November 2022 übernahm KTM zunächst 25,1 Prozent der MV Agusta Motor S.p.A. und baute den Anteil im März 2024 auf 50,1 Prozent aus. Damit übernahmen die Österreicher die Mehrheit und planten weitreichende Massnahmen zur Expansion der italienischen Luxusmarke. Ziel war es, MV Agusta auf eine solide wirtschaftliche Basis zu stellen, die Produktion auszubauen und die Marke langfristig erfolgreicher zu machen. Der Auto-Hersteller Ferrari wurde hierbei bei meinem Interview mit COO Luca Martin im Sommer 2024 als Vorbild für kontrolliertes Wachstum im Luxussegment genannt.

Im Zuge der Übernahme übernahm KTM zentrale operative Bereiche von MV Agusta, darunter die Lieferkette und den Einkauf. Auch im Vertrieb baute KTM sein Know-how ein, um die italienische Marke besser im Markt zu positionieren. Im November 2024 geriet KTM selbst in finanzielle Schwierigkeiten und musste Insolvenz anmelden. Damit war der strategische Rückzug aus Varese für viele Beobachter nur noch eine Frage der Zeit.

Finanzielle Belastung für KTM durch den Erwerb von MV-Anteilen

Der neue KTM-Vorstandschef Gottfried Neumeister räumt ein, dass der Erwerb von MV Agusta sowie deren Finanzierung retrospektiv zur Unzeit erfolgt seien. Insgesamt verschlang die Übernahme über 200 Millionen Euro an Liquidität, was KTM in der aktuellen Krise zusätzlich belastet. Die Bezahlung des Kaufpreises, die Verlustfinanzierung der Altlasten bei MV Agusta und die Kapitalbereitstellung für den laufenden Betrieb erwiesen sich als erhebliche finanzielle Bürde für die österreichische Muttergesellschaft.

Aufgrund der Insolvenz entschied der zuständige Insolvenzverwalter Peter Vogl, die MV-Agusta-Anteile zum Verkauf auszuschreiben. Der Verkauf erfolgte an die Art of Mobility S.A., die bereits zuvor 49,9 Prozent der Anteile hielt und damit die vollständige Kontrolle über MV Agusta zurückerlangt.

Kaufpreis und Käuferstruktur von MV Agusta

Die genauen finanziellen Details der Transaktion wurden nicht offengelegt. Von KTM wurde jedoch bestätigt, dass der Verkauf einen "mittleren zweistelligen Millionenbetrag" einbrachte. Art of Mobility S.A. ist ein luxemburgisches Unternehmen, das von der russischen Oligarchenfamilie Sardarov kontrolliert wird. Diese hatte bereits 2017 in MV Agusta investiert und 2019 die vollständige Kontrolle übernommen. Mit dem Rückkauf der restlichen Anteile kehrt MV Agusta nun in den alleinigen Besitz von Timur Sardarov zurück.

Absatz-Erfolge unter KTM-Regie – wird das weiterhin möglich sein?

Unter der Führung von KTM wurde MV Agusta strategisch restrukturiert: Die Lieferkette und der Einkauf wurden optimiert, das Händlernetz ausgebaut und die Produktion angekurbelt. Das Resultat war eine deutliche Steigerung der Verkaufszahlen: 2024 konnte MV Agusta über 4.000 Motorräder absetzen ein Plus von 116 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Zum einen konnte die neu auf den Markt gekommene Reiseenduro Enduro Veloce überraschend viele Käufer überzeugen und entwickelte sich auf Anhieb zum erfolgreichsten MV Agusta Modell, zum anderen kam dieser Erfolg jedoch auch durch hohe Rabatte auf bestehende Lagerfahrzeuge, die man aus der Ära Sardarov übernommen hatte, zustande. Die Brutale 800 R wurde beispielsweise bei Händlern in Deutschland für unter 11.000 Euro angeboten mehr als 4.000 Euro unter Listenpreis.

Auswirkungen des Verkaufs - wie geht es mit MV Agusta weiter?

Nach dem Rückzug von KTM wird MV Agusta wieder vollständig unabhängig und am Standort Varese operieren. Auch der Einkauf und Vertrieb, die zuvor von KTM übernommen wurden, kehren zurück in das Stammwerk. Aktuell stehen noch hunderte MVs in Österreich, wann und wie sie zurück nach Italien kommen werden ist aktuell unsicher. Das 2024 unter KTM stark ausgebaute Händlernetz mit 219 Verkaufsstellen weltweit soll jedoch beibehalten werden. Der profitable Ersatzteilverkauf - der in der Vergangenheit absolut kein Aushängeschild der italienischen Nobelmarke war und dessen Verfügbarkeit für Modelle der letzten sieben Jahre durch grosse Bemühungen des österreichischen Managements auf 99 Prozent gehoben werden konnte, soll ebenfalls unverändert fortgeführt werden.

Allerdings stellt sich die Frage, wie MV Agusta ohne die Einkaufskonditionen von KTM langfristig konkurrenzfähig bleiben will. Das Unternehmen muss nun erneut ein eigenes Lieferantennetzwerk aufbauen, was zusätzliche Kosten und Herausforderungen mit sich bringt. Auch bleibt abzuwarten, ob MV Agusta weiterhin von der Marktpräsenz profitieren kann, die unter KTM ausgebaut wurde.

Ein weiteres grosses Fragezeichen ist bei der Erneuerung der Modellpalette ersichtlich. Bis auf die MV Agusta F3 Competizione und die Ottantesimo Sondermodelle ist kein einziges Modell aus Varese nach der, seit heuer in Kraft befindlichen, Euro 5+ Norm homologiert. All jene die sich auf weitere Modelle mit dem 931 Kubik Pracht-Aggregat der Enduro Veloce gefreut haben, werden wohl noch (etwas) weiter warten müssen. Der Naked Bike Prototyp Emmevi der auf der EICMA 2024 für Aufsehen gesorgt hat bleibt wohl eine Studie.

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Bericht vom 05.02.2025 | 11.459 Aufrufe

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